Interview Postview-Tracking

Bereits anno 2007/2008 eingeführt wurde Postview-Tracking von einigen Netzwerken.

Postview-Tracking ist in aller Munde und wird als neue Lösung im Affiliate-Marketing und Performance-Marketing präsentiert, vor allem seit den Umsatzkrisen der Portale mit großen Reichweiten, die dringend neue Erlöse als Ersatz für die schwindenden TKP-Buchungen suchen.

Leider werden die negativen Punkte und die Risiken viel zu wenig diskutiert und dargestellt, so daß wir uns heute darüber mit Marcus Lutz unterhalten, dem Gründer von SuperClix, der bereits seit 12 Jahren im Affiliate-Marketing tätig ist:

SuperClix Aktuell (SC): Hallo Marcus, stelle Dich doch mal kurz vor.

Marcus Lutz (ML): Mein Name ist Marcus Lutz. Ich bin seit 1997 im Affiliate-Markeing tätig, und habe aufgrund meiner Erfahrungen im Jahre 2000 SuperClix gegründet und führe heute noch die Geschäfte von SuperClix in Deutschland.

SC: Wie würdest Du Postview-Tracking in Deinen Worten erklären ?

ML: Der Werbe-Kunde bezahlt nicht mehr aufgrund Performance (wie im Affiliate-Marketing eigentlich üblich), sondern auch bei View bzw. Einblendung eines Werbemittels in beliebiger Größe, egal ob der Endkunde die Einblendung des Werbemittels bewußt wahrgenommen hat oder nicht. Vorher war ja nur der Klick maßgebend, also nur wenn der Kunde echtes Interesse an der Werbung gezeigt hat.

SC: Wie siehst Du die aktuelle Diskussion mit Postview-Tracking ?

ML: Sehr kritisch, das sieht man auch bei meiner privaten Protest-Seite. Eine Diskussion über Postview-Tracking fand niemals richtig statt, stattdessen wurde es von vielen Netzwerken einfach über Nacht automatisch aktiviert, ohne daß Kunden oder Interessenten vorher auch über Risiken aufgeklärt wurden.

SC: Postview klingt doch eigentlich toll, endlich können auch große Portale wie Freemailer oder Paid4-Seiten mit vielen Pageviews durch Affiliate-Marketing und Partnerprogramme Provisionen generieren ! Welche Risiken meinst Du ?

ML: Für Seiten wie Sonderfälle (Paid4 usw.), halb-legale und illegale Seiten mit sehr viel Traffic ist es auch ganz toll und bringt jede Menge Provisionen, die es vorher nicht gab, man muß nur schauen, daß man viele Besucher hat und man irgendwie sehr viele Cookies verteilen kann (sog. “Cookie Spamming”). Für alle anderen, z.B. SEOs oder Portale, die wenig Besucher haben, bedeutet es eher deutlich weniger Umsatz. Dies liegt auch daran, daß bis zum Kauf (Sale) oder bis zur Anmeldung die Cookies des Kunden einfach überschrieben werden (sog.”Cookie Spreading”). Zusätzlich zu den überschriebenen Cookies kommen dann auch viele Stammkunden, die sowieso bei einem Shop bestellt hätten, vor allem bei großen Marken-Anbietern.

SC: Moment - die Netzwerke und Agenturen sagen doch, daß keine Cookies überschrieben werden ?

ML: Dies mag vermutlich so sein (neutrale und transparente Kontrollen von Dritten sind fast nicht möglich), aber wenn dann meist nur netzwerkintern. Sobald das Partnerprogramm auch auf einem anderen Netzwerk läuft, oder mit einem dritten Tracking (z.B. von Agenturen oder von Partnerprogramm-Betreibern selbst), dann gibt es massive Probleme, da jeder der mittrackt, ja auch immer zwischen View- und Klick-Tracking und für jedes Netzwerk unterscheiden muß, und das können die wenigsten, da ja fremde Cookies technisch gar nicht ausgelesen werden können. Auch wurde damals, als das Postview-Tracking eingeführt wurde, einfach mal ein Klick-Request bei einem Dritt-Tracking ausgelöst, so daß wirklich in der Praxis das View-Tracking das Klick-Tracking überschrieben hat.

SC: Das muß doch allen Anbietern spätestens bei der Prüfung der Provision auffallen ?

ML: Eigentlich schon, leider wurden (und werden teilweise auch heute immer noch) Postview-Sales nicht extra aufgeführt. Zudem profitieren auch die beteiligten Netzwerke und Agenturen davon, denn wenn der Umsatz höher ist, sind auch die Provisionen höher.

SC: Es gibt ja schon die ersten Empfehlungen und “Code Of Conducts” für Postview-Tracking in der Branche. Sollte es dann nicht fairer zugehen ?

ML: Eine grundsätzliche Diskussion über Postview fand ja gar nicht vorher statt, stattdessen wurden einfach die Netzwerke und Agenturen unterstützt, die Postview ohne Rücksprache mit den Kunden eingeführt haben. Leider sind die Kontrollen bei allen einfach (fast) nicht vorhanden bzw. diese Empfehlungen sind auch durch Sondervereinbarungen mit Kunden und bestimmten Affiliate-Partnern auszuhebeln, Konsequenzen gibt es gar keine. SuperClix selbst gibt immer wieder Hinweise auf Regelverstösse an viele andere Anbieter, die meisten davon werden erst gar nicht bearbeitet oder einfach ignoriert. Sicherlich ist auch logisch, daß keine Kontrolle 100%ig sein kann, denn wer kann schon Millionen oder Milliarden von Views 24 Stunden täglich kontrollieren oder kontrollieren, ob nachts ein paar Stunden lang nicht in 1×1 Pixeln heimlich Views generiert werden (z.B. auch über Dritte Filesharing-Seiten mit Framen der seriösen Seiten usw.) ? Das genau ist der Grund, weswegen Pay-per-View im Affiliate-Marketing (fast) nicht mehr angeboten wurde, trotzdem wurde jetzt Postview eingeführt.

SC: Eine Art Postview sind ja auch diese Layer oder Popups, die es früher oft gab und weswegen ja auch die Popup-Blocker eingeführt wurden. Ist Postview nicht eine Weiterentwicklung von Popups und Layern und somit ok ?

ML: Witzig, daß gerade Popups und Layer von vielen Netzwerken und Agenturen noch vor ein paar Jahren und Monaten meist verboten wurden, obwohl Layer und Popups deutlich größer sind als manche Werbemittel im Postview. Ich bezweifle die Werbewirksamkeit von einem kleinem Button, der ganz unten auf der Seite neben 10 anderen Buttons steht - da wäre mir als Werbetreibender ein deutlich größeres Layer/Popup viel lieber. Aber selbst da gibt es ja immer noch Probleme, vor allen Dingen mit Layers, die man gar nicht richtig schließen kann oder die einfach mal die Seite des Werbekunden öffnen, obwohl man das Layer schließen wollte - bereits diese Probleme haben Agenturen und Netzwerke schon nicht in den Griff bekommen, warum soll das jetzt mit Postview anders sein ?

SC: Was hälst Du von speziellen niedrigeren Konditionen oder geringeren Cookielaufzeiten fürs Postview-Tracking ?

ML: Ich verstehe die Logik dahinter nicht ganz: Einerseits soll Postview ganz toll sein, andererseits wollen die Betreiber dafür weniger vergüten oder Cookies weniger lang laufen lassen ? Wenn die Provision schon geringer ist, bedeutet das doch nur, daß die Werbeform deutlichst minderwertiger ist als die echten normalen Klicks von interessierten Besuchern. Es kommt mir eher so vor, als wenn Netzwerke und Agenturen das nur anbieten, da bereits viele aufgeklärte Kunden Postview-Tracking grundsätzlich nachträglich untersagt haben.

SC: Wird SuperClix das Postview-Tracking auch einführen ?

ML: Wir haben lange überlegt und können es definitiv NICHT empfehlen, daher verzichtet SuperClix komplett auf “Postview-Tracking”. Wir möchten auch nach dem Ende von Postview noch unseren Kunden in die Augen sehen können und denken, daß Postview dem Affiliate-Marketing und dem bisher guten Ansehen bei Kunden grundlegend schaden könnte.

SC: Gab es auch genügend Tests vor dieser Entscheidung ?

ML: Es gab nicht nur genügend interne Tests und externe Beobachtungen, es gab auch schon definitiv aktive Partnerprogramme bei uns, die vorher 4- und 5-stellige Umsätze pro Woche generierten, plötzlich nichts mehr lief und bei anderen Postview-Netzwerken ganz plötzlich deutlich mehr. Die Geschädigten waren nachher die Affiliate-Partner, die vom einen auf den anderen Tag deutlich weniger Umsatz hatten, trotz qualitativem SEO- oder SEM-Traffik und anderen hochwertigeren Nischen-Seiten.

SC: Gab es schon Reaktionen auf Deine private Protest-Seite ?

ML: Ja, sowohl negative als auch sehr positive Reaktionen. Man könnte manche Reaktion auch schon als Drohung auffassen, es geht eben um Geld. Es war mir vorher klar, daß nicht jeder unsere “Offensive” und ich nenne es mal “Aufklärungsarbeit” in dieser Sache gerne sieht. Es ist aber jeder eingeladen, sachlich zu diskutieren, falls ich irgendwelche Argumente übersehen habe. Mit uns kann man natürlich auch persönlich an unserem Stand auf der DMEXCO (Halle 8 / Gang C / Stand 089) oder auf der SuperClix-Party während der DMEXCO diskutieren.

SC: Wenn ein Kunde bzw. ein Partnerprogramm-Betreiber kein Postview-Tracking haben will oder zusätzlich bei SuperClix starten will, was sollte er dann machen ?

ML: Am besten direkt beim eigenen Netzwerk oder bei der Agentur melden/beschweren, und eine schriftliche Bestätigung fordern, daß kein Postview-Tracking aktiviert ist und dies auch deutlich in der Beschreibung kommunizieren, damit keine Affiliate-Partner abgeschreckt werden. Wenn man besonders sicher gehen will, sollte man eine solche Erklärung auch mit einer Vertragsstrafe versehen und individuell von einem speziellen Anwalt anfertigen lassen.

 

Wir bedanken und bei SuperClix für die Erlaubnis dieses Interview auf csearch.de veröffentlichen zu dürfen!

Tags:
postview, tracking
Datum:
Mittwoch, 7. Oktober 2009, 19:30 Uhr

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